Der “Tag der Arbeit” stand dieses Jahr ganz im Schatten der Europawahl. Die Rede des Stadtverbandsvorsitzenden des DGB, Peter Mai, der auch Mitglied der Grünen in Münster ist und für die Grünen im Wahlkreis Hiltrup Ost kandidiert, zeigte dies eindrucksvoll. Seine Forderungen umfassten nicht nur ein friedliches und steuergerechtes Europa; er forderte auch zu mehr Konsumentinnen- und Konsumentenbewusstsein und zum Widerstand gegen das TTIP-Handelsabkommen auf. Zitat: “Europa, vergiss nicht das, was du bereits erreicht hast und setze es nicht aufs Spiel. Handelsabkommen, wie beispielsweise das sogenannte Freihandelsabkommen mit den USA, dürfen nicht zu einer Absenkung von rechtsstaatlichen, sozialen und ökologischen Standards führen.” Hier seine Rede im Wortlaut:
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen
oder sollte ich liebe sagen, liebe Europäerinnen und Europäer?
Die kommenden Jahre sind voller Herausforderungen für Europa und uns Europäerinnen und Europäer. Die Probleme scheinen nicht weniger und schon gar nicht unwichtiger zu werden. Im Gegenteil. Werden es rechtsextreme und rechtspolusistische Parteien in das Europaparlament schaffen? Spart sich Europa kaputt? Wird die Europäische Union mit den USA ein Wirtschaftsabkommen abschließen, das unsere Werte verkauft? Kommt ein neuer Krieg?
Kaum ist die eine Krise vorbei, kommt schon die nächste und dann die übernächste. Da ist es schwer trotz alledem die Fahne hochzuhalten und für die Wende hin zu einem sozialen, gerechten, ökologischen und demokratischen Europa einzustehen. Und trotzdem sind wir hier. Und das freut mich sehr.
Eines ist doch klar. Keiner von uns will Krieg. Krieg ist kein Mittel der Politik. Krieg ist eine Geißel der Menschheit. Wir wollen ein friedliches Europa des Wohlstands. Eines Wohlstands der gerecht und fair unter den Menschen verteilt wird. Und das schafft nur der, der auch die Einnahmenseite in den Blick nimmt. Nur eine gerechte Besteuerung von Vermögen sichert die sozialen Systeme, fördert soziale Teilhabe , bringt Bildung für alle, bringt Geld für die Renovierung- und Verbesserung staatlicher Infrastruktur und hilft den Schuldenberg Deutschlands abzubauen.
Mit Sorge habe ich in den vergangenen Tagen die Debatte über das Thema Steuererhöhungen verfolgt. Und mit Sorge sehe ich, wie sich die Menschen durch das Wort Steuererhöhung verschrecken lassen; und das obwohl es die meisten, eben weil sie nicht genug haben, gar nicht betreffen würde. Würde der Wohlstand besser verteilt, bedeutete das eine Konjunkturbelebung und ein Wachstum, dass ökologisch nicht blind ist, sondern nachhaltig und ressourcenschonend. Ich denke keiner und keine von uns hat verstanden, warum nicht die zur Kasse gebeten worden sind, welche die Banken- und Finanzkrise verursacht haben. Das gilt es nachzuholen. Wir vom DGB fordern deshalb eine Gerechtigkeitssteuer in Form einer Vermögensabgabe in Höhe von drei Prozent des Vermögens ab 500.000 Euro bei Ledigen und einer Million Euro bei Verheirateten. Außerdem wird es endlich Zeit für die Finanztransaktionssteuer. Zocken auf Kosten anderer darf weder zugelassen werden, noch darf es sich lohnen.
Und Eruopa braucht auch mehr finanzielle Mittel für die Schaffung guter Infrastruktur. Deutschland profitiert am meisten von der Globalisierung. Wenn m Osten Europas Transportwege verbessert werden, hilft das Deutschland. Wenn dort gute Bildungssysteme aufgebaut werden können, das Recht herrscht und nicht das Recht des Stärkeren, wenn dort die Korruption abgebaut und energiepolitisch nachhaltig gewirtschaftet werden kann, hilft das Deutschland. Wenn Steuerdumping dort Steuerdumping und Kriminalität allgemein bekämpft werden kann, hilft das Deutschland. Das Boot ist nicht voll. Wir sitzen alle in einem Boot. Wir Gewerkschaften sollten das häufiger betonen, denn Arbeiter ist Arbeiter und Arbeiterin ist Arbeiterin. Ein hoch auf die internationale Solidarität!
Und Europa, vergiss deine Jugend nicht! Und Europa, vergiss nicht das, was du bereits erreicht hast und setze es nicht aufs Spiel. Handelsabkommen, wie beispielsweise das sogenannte Freihandelsabkommen mit den USA, dürfen nicht zu einer Absenkung von rechtsstaatlichen, sozialen und ökologischen Standards führen. Sie dürfen keine Liberalisierung und Deregulierung durch die Hintertür ermöglichen. Daher müssen die Verhandlungen transparent, demokratisch und mit größtmöglicher Beteiligung der Zivilgesellschaft geführt werden und auf einer menschenrechtlichen Folgenabschätzung aufbauen. Mit dem Blick auf die Europaparlamentswahl am 25. Mai 2014 sage ich ganz deutlich meine Meinung: eine Partei, die das nicht genauso sieht, ist nicht wählbar und dient eher den Lobbyistinnen und Lobbyisten des Großkapitals als ihren Wählerinnen und Wählern. Das Ziel müssen hohe soziale und ökologische Standards sein. Wir werden dafür kämpfen, dass das was wir bereits erkämpft haben, nicht verloren geht.
Die Fehler des Neoliberalismus dürfen nicht fortgesetzt werden. Das ist auch der Grund, warum prekäre Beschäftigungsverhältnisse zugunsten dauerhafter, sozial geschützter Arbeitsverhältnisse zurückgedrängt werden müssen. Nicht umsonst ist unser Motto dieses Jahr „Gute Arbeit. Soziales Europa.“ Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen für alle Malocherinnen und Malocher. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. Wir wollen den Ausbau des europäischen Arbeitsschutzes. Ich wiederhole: wir wollen ein soziales Europa und nicht ein Europa des Burnouts und der Ausbeutung.
Das fordern wir als Beschäftigte von der Politik. Und das sollten wir auch in unserer Rolle als Konsumentinnen und Konsumenten einfordern. Lasst mich zum Schluss meiner Einführung noch kurz folgendes sagen. Nehmen wir doch mal das Beispiel Bürger King, das aktuell in der Presse nachzulesen ist. Da hat Wallraff wie immer wirklich ganze Arbeit geleistet. Wie bei Amazon und vielen vielen anderen Firmen sind die Arbeitsbedingungen dort unzumutbar. Und noch schlimmer: mit der Hygiene sieht es auch nicht besser aus. Darmbakterien im Essen und gleichzeitig nur ein Stundenlohn von 7,71 Euro brutto. Kein Weihnachts-, noch Urlaubsgeld, Überstunden sind Standard. Amazon und Co und wie sie alle heißen. Wir dürfen als Verbraucherinnen und Verbraucher nicht vergessen, was wir als Beschäftigte und Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschafter einfordern. Sonst untergraben wir unsere eigenen Ziele und den Grund, warum wir uns heute hier versammelt haben. Das ist ein Grund, warum ich mich auf den Mindestlohn freue, denn dann wird das ökologische und soziale Konsumieren auch für mehr Menschen, die das wollen, endlich möglich sein.
