Auf der Degrowth-Konferenz wurden die Ergebnisse der Enquetekommission des Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ diskutiert. Auf dem Podium saßen drei PolitikerInnen, nämlich Matthias Zimmer (MdB, CDU), Sabine Leidig (MdB, Linke) und Hermann Ott (Grüne), die Mitglieder der besagten Kommission waren. Die Moderation übernahm die Wirtschaftswissenschaftlerin Angelika Zahrnt. Die Abwesenheit der FDP wurde „schmerzlich vermisst“, bekannte das Podium ironisch und erntete zahlreiche Lacher aus dem Publikum.
Schon zu Beginn der Debatte sagte Zimmer, warum die Debatte über Postwachstum so spannend sei: weil es WachstumsbefürworterInnen und WachstumskritikerInnen „in allen Parteien“ gäbe. Man könne also in allen Parteien AnsprechpartnerInnen für eine Postwachstumsdebatte finden.
Die Abgeordnete der Linken, Leidig, beurteile die gesellschaftliche Ressonanz auf die Arbeit und den Abschlussbericht der Enquete kritisch: „Auf die Arbeit der Kommission wird in den Debatten im Bundestag kaum Bezug genommen. Ich gehe davon aus, dass unser Bericht von nur wenigen Menschen gelesen worden ist“, urteilte sie. Dennoch habe die Kommission die Wertedebatte, welche die Debatte um degrowth beinhaltet, „salonfähig“ gemacht. Nur leider würde immer noch der Fehler begangen, dass Wirtschaftswachstum mit Wohlstandswachstum gleichgesetzt werden würde.
Der gleichen Meinung war auch Hermann Ott von den Grünen. Man habe zwar ein „Forschungsprogramm für Postwachstum erstellt“ und es sei durch die Kommission ein Prozess angestoßen worden; dieser sei allerdings „leider im Parlament total versichert“. Moderatorin Angelika Zahrnt ging sogar noch weiter und nannte die Resonanz auf den Enquetebericht ein „laues Lüftchen“. Humorvoll entgegnete Zimmer: „Viele Werke der Weltliteratur haben ihre Wirkung erst verzögert entfaltet.“ Und man dürfe auch nicht erwarten, dass ein Enquetebericht auf der Spiegelbestsellerliste erscheine. Und schon gar nicht, wenn Reformvorschläge verkompliziert seien. Wenn man die Berechnungsgrundlage des Bruttoinlandsprodukts ändern wolle, müsse das auch für einen BILD-Zeitungsleser zugänglich sein, so Zimmer. Daraufhin kritisierte Leidig, dass die Bundesregierung jederzeit, wenn sie dies wolle, die Berechnungsgrundlage ändern könnte. Ott kritisierte, dass die Kommission nicht dem Grünen Vorschlag eines Indikatorsystems für eine Berechnungsgrundlage gefolgt sei. Statt drei, wie es die Linken vorgeschlagen hätten, oder vier Indiaktoren, wie es die Grünen vorgeschlagen hatten, hätten CDU/CSU, SPD und FDP „einen Indikatorwirrwarr“ entwickelt. Er wies auch darauf hin, dass es aber maßgeblich die wissenschaftliche Seite, also die eingeladenen ExpertInnen waren, die Meinungsverschiedenheiten in der Kommission gehabt hätten. „Viele Wissenschaftler waren sich nicht einig. Eine Arbeitsgruppe hat sich komplett zerlegt“, so Ott. Gekonnt wies Zahrnt auf die aktuelle Reform des BIP-Messung (als Wohlstandsindikator) hin, denn ab 1. September würden auch illegale Geschäfte in das BIP miteinfließen.
Als Ursache für den geringen Nachhall der Enquetearbeit machte Ott („Mr. Rebound“) den parlamentarischen Alltag aus. Große Ereignisse schütteten die langfristige Arbeit leider zu. „Nur durch zivilgesellschaftlichen Druck tut sich etwas in der Politik“, beteuerte Ott. Und dass obwohl schon kalr sei, dass der „Ressourcenverbrauch weltweit absolut verringert werden“ müsse. Um dies zu erreichen sei allerdings ein linearer Ansatz nicht ausreichend. Technische Fortschritte beim Autodesign führten beispielsweise dazu, dass Autos weniger Sprit verbrauchten, würden aber gleichzeitig schwerer und schneller, was diesen Effekt wieder aufhebe. Ebenso könnte man durch Energiesparlampen Strom sparen, was aber auch nichts bringe, wenn man mit dem Ersparten eine Flugreise buche und so Emissionen verursache. Diese Erkenntnis erfordere einen systemischen Ansatz und Maßnahmen, auf die man sich aber in der Kommission nicht einigen konnte.
Als die Frage aus dem Publikum kam, warum sich so wenige PolitikerInnen dem Thema Nachhaltigkeit widmeten, antwortete Zimmer trocken: „Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht Karriere fördernd.“ Ein junger Mann aus dem Publikum fragte nach, warum die Politik „Zeit verschwendet“, indem sie sich mit dem Thema Autobahnmaut beschäftige anstatt sich Wichtigerem zu widmen. Dies veranlasste Leidig darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung die Privatisierung der Autobahnen plane, was eine Information war, die das Publikum sichtlich überraschte. Sollte man nun den Enquetekommissionsbericht lesen? Ich denke ja und glaube, dass darin zahlreiche Anregungen enthalten sind, die sicherlich auch bei einer Bundesregierung inspirierend wirken könnten. Der Bericht ist „Arbeitsmaterial und Steinbruch“, sagte zu dieser Frage Angelika Zahrnt.