Wenn man „0,1 Prozent“ liest, hat man unweigerlich das Gefühl, dass das Privatleben der Superreichen für das eigene Dasein eine größere Rolle spielt, als die Entscheidungen der eigenen Regierung. „Ein amerikanischer Präsident ist wahrscheinlich billiger zu haben als eine ordentliche Siebzig-Meter-Luxusmotorenjacht“, schreibt Krysmanski trocken. Der Soziologe stellt klar: Du kannst noch so geistreich, schön, edel und gut sein; der Reiche ist immer geistreicher, schöner, edler und besser, einfach weil sein Geld ihn stets aufwertet. Er selbst muss keine Eigenschaften haben, denn der Reiche kann Menschen mieten, die sie besitzen.
Der Münsteraner Soziologe Hans Jürgen Krysmanski hat ein Buch über die Superreichen dieser Welt geschrieben. Aber es ist kein Buch über Pelzmäntel und Swimming Pools. Das Buch „0,1 Prozent“ zeigt auf, wem mittlerweile die Welt gehört: einer gut organisierten Gruppe, die eine abgeschlossene, mächtige und durch keinen Staat kontrollierte Klasse bildet.
Geld regiert die Welt. Wenn das stimmt, regieren nur wenige. Aber wer? Nur Fakten verleihen den im fernen „Richistan“ lebenden Personen Konturen. Superreich, so Krysmanski, seien die Leute, die jenseits von Investitionsmitteln und Immobilienwerten, etc. mehr als 500 Millionen Dollar zur freien Verfügung hätten. Er schätzt, dass dies auf 10.000 bis 20.000 Personen zutreffe. Unter diesen wiederum gäbe es weltweit 3.000 Milliardäre, die sich größtenteils in Metropolen wie Moskau, New York und Honkong tummelten. Dieser kleinen aber feinen Gesellschaft stehen weltweit über sieben Milliarden Menschen gegenüber. Die „globale Klasse“ der Reichen, so Krysmanski, beschäftige private Banken und „Wealth Manager“, sei transnational und kosmopolitisch, d.h. eigentlich staatenlos und bilde mit Hilfe eines eigenen Gesundheitssystems, eigenen Reisenetzwerken, einem eigenen Wirtschaftskreislauf und einer eigenen Sprache das, was konservative Politiker des öfteren ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern vorwerfen: eine Parallelgesellschaft.
„Die Superreichen bewegen sich ständig zwischen den Nationalstaaten, nicht in ihnen“, schreibt Krysmanski. Wenn die Superreichen die Spitze der Pyramide bildeten, befände sich darunter eine, den Reichen dienende technokratische Funktionselite, die ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern helfe, so zu erscheinen, als wären diese ständig damit beschäftigt, Arbeitsplätze zu schaffen und Gutes zu tun. So bliebe die fortschreitende Unterwerfung der Welt verschleiert; die Quellen des Reichtums der Milliardäre – dazu gehörten auch Waffenhandel und Immobilienspekulationen – verborgen. Wer wisse schon, bei wem die Staaten ihre hohe Schuldenlast hätten oder bei wem sich ein Konsument verschulde, die ihre Kreditkarte bzw. ihren Kreditrahmen überziehe?
Krysmanski zeigt sich verwundert darüber, dass die Wissenschaft, in diesem Fall die Soziologie, das Heer der Armen gründlich erforsche, die gründlich miteinander vernetzten Superreichen allerdings oft außen vor lasse. Dies sei den Milliardären nur recht. Denn wenn man die Superreichen nicht sehe, sondern nur deren Handlanger, nämlich die Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer in den hohen Chefetagen, blieben sie unantastbar. „Es geht um die Dialektik der absoluten Privatheit des Superreichtums und der aus dieser dunklen Zone heraus möglichen unkontrollierbaren Ausübung der Macht“, so Krysmanski. Er stellt die Frage, in wessen Auftrag die Banken, welche die Wirtschaftskrise ausgelöst haben, handelten. Wer, wenn nicht die Superreichen, haben die Macht über die Börsen und die Aktienkurse?
Hans-Jürgen Krysmanski, „0,1 % – Das Imperium der Milliardäre“; erschienen bei Westend, Oktober 2012, 240 Seiten, 19.99 Euro
Weitere Buch- und Filmdokumentationshinweise zum Thema:
Robert, Frank: Richistan. Eine Reise durch die Welt der Megareichen, Frankfurt/M., 2009.
Johnson, Jamie: Born Rich, Link: http://www.youtube.com/watch?v=7xhuSxyHWRw
Johnson, Jamie: The One Pervent: http://www.youtube.com/watch?v=HmlX3fLQrEc