Von Tur-Tur und kastrierten Katzen: Grüne, SPD und FDP setzen Haushalt 2014 durch

In der Haushaltsratssitzung schaute die CDU ganz schön in die Röhre. Wer noch keine Haushaltssitzung des Stadtrats erlebt hat, sollte das unbedingt einmal tun. Sie hat nicht nur unterhaltungswert (siehe unten), sondern sie ist auch einer der „wichtigste Sitzung des Jahres“. Die Parteien versuchen sich durch die Reden ihrer (i.d.R.) Fraktionsvorsitzenden politisch zu positionieren und natürlich auch zu profilieren.

Beobachterinnen und Beobachter nannten die Sitzung historisch, weil…

…zum ersten mal der Haushalt von einer Ampel getragen worden ist.

…seit 1999 kein Haushalt mehr gegen die Stimmen der CDU durchgesetzt worden ist.

So blieb der CDU nicht anderes übrig als sich in ihrer Haushaltsrede selbst auf die Schulter zu klopfen, SPD und Grüne scharf anzugreifen und sich in Phrasen zu retten wie „Wir brauchen vielmehr einen Blick für das Ganze in Münster. Wir brauchen einen Überbau, der überzeugend der Öffentlichkeit deutlich macht, wohin die Reise mit Münster geht. Denn nur, wenn Politik die Stadtgesellschaft zusammenhält, wird es gelingen, die großen Zukunftsaufgaben Münsters zu bewältigen.“ Gähn! Oder: „Münster war ohnehin immer am besten, wenn bürgerschaftliche Initiativen sich eingebracht haben. Es ist Münster immer gut gegangen, wenn sich die Bürger zu Wort gemeldet haben und die Politik darauf gehört hat. Deswegen haben wir den Prinzipalmarkt. Deswegen haben wir das Rathaus!“ Man möchte dazufügen: „und deshalb gibt es keine Musikhalle auf dem Schlossplatz! Oder hier eine weitere Sternstunde: „Wir fordern als CDU als Münsteraner, alle Interessentengruppen, die Wirtschaft, die Wissenschaft auf, sich in einem Prozess über Münsters Zukunft zu beteiligen. Dieser Prozess kann und sollte dann aus der Mitte der Gesellschaft begonnen werden, ob das SPD, Grünen und FDP passt oder nicht. Die Münsteraner lassen sich nicht sagen, wann sie über ihre Zukunft sprechen dürfen.“ Als ob das SPD, Grünen und gar die FDP jemals vorgehabt hätten. Beileibe nicht.

SPD-Fraktionschef Dr. Jung sprach nicht nur über die inhaltlichen Schwerpunkte des neuen Haushaltsplans, sondern sparte nicht mit Lob für die Ampelkoalition. „Dieses politische Experiment war für uns alle eine spannende Erfahrung mit einem respektablen Ergebnis.“ In den vergangenen zwei Jahren hatte die SPD noch den Haushalt zusammen mit der CDU verabschiedet, was vor allem die Grünen auf die Palme brachte. Doch davon war in seiner Haushaltsrede kaum etwas übrig. Im Gegenteil. Für die CDU hatte er folgenden Vergleich im petto: „Die CDU-Fraktion in diesem Rat erinnert schon lange an eine Figur aus dem Kinderbuch von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, nämlich an Herrn Tur-Tur. Herr Tur-Tur hat das Problem, dass es um ihn ziemlich einsam geworden ist. Das liegt daran, dass Herr Tur- Tur ein Scheinriese ist. Von ferne wirkt er groß, stark und eindrucksvoll, wenn man aber nah herankommt, dann sieht man, dass er gar nicht groß und furchteinflößend ist, sondern ein im persönlichen Umgang stets recht freundlicher Herr, der aber recht wenig Dynamik und Gestaltungsanspruch hat“, so Dr. Jung. Für Gelächter sorgten folgende Anmerkungen zum Verhalten der CDU im Sozialausschuss: „Nicht nur, dass man auf eigene Haushaltsanträge fast komplett verzichtet hat – im Finanzausschuss konnte die CDU sich zu 27 von 28 Haushaltsanträgen von SPD, Grünen und FDP zu einer tapferen Enthaltung durchringen, selbst zum Veggie-Day (der gestrichen wurde) traute sich die CDU gar keine Meinung mehr zu. Der einzige Haushaltsantrag, den die CDU im Sozialausschuss gestellt hat, bezog sich auf die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster Dr. Michael Jung – Rede zum Haushalt 2014, 11. Dezember 2013 Kastration streunender Kater – das ist es also, was der CDU zur Sozialpolitik einfällt.“ Der Angriff der CDU gipfelte in den Worten: „Große Wahlversprechen im Investitionsbereich – so, als gäbe es kein Haushaltsproblem und so, als ob die Wählerinnen und Wähler das Haushaltsproblem nicht längst besser kennen würden als manche der Ratspolitikerinnen und Ratspolitiker der CDU: Da werden neue Kunstrasenplätze im Wahlkreis des Fraktionsvorsitzenden im Wahljahr am Sportinvestitionstopf vorbei in den Haushalt geschrieben, da verspricht die Bürgermeisterin für das Wahljahr in ihrem Wahlkreis eine neue Halle für den Schulsport, obwohl viel größere Schulen nebenan viel größere Probleme haben, da wird mal eben eine Ausweitung des MünsterPasses gefordert, obwohl man den im letzten Jahr noch komplett streichen wollte. Selbst das Schlaungymnasium, das vor Wochen von der schulpolitischen Sprecherin noch zur Gesamtschule gemacht werden sollte, darf nach jahrelanger Sanierungsverweigerung nun auf den investiven Großmut der CDU hoffen – man kann über diese politischen Possen lachen, aber man kann das auch einfach zusammenfassen: die CDU kann es nicht lassen. Noch immer meint sie, mit dem Füllhorn durch die Stadt schreiten und rechtzeitig zur Wahl ins Horn des Populismus blasen zu müssen.“

Die Rede des Grünen Haushaltsexperten Otto Reiners kam gänzlich ohne verbale Attacken aus, weshalb an dieser Stelle auch keine genannt werden können. Die Rede von Otto Reiners ist unter diesem Link zu finden.

Alle Haushaltsreden als pdf sind zu finden auf der Homepage der Westfälischen Nachrichten.

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