Für mehr Selbstbestimmung: AStA geht mit Anwesenheitsmelder online

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Link zum Anwesenheitsmelder: http://www.asta.ms/index.php/anwesenheit

Seit Jahren macht die Studierendenvertretung der Uni Münster Front gegen die Anwesenheitspflicht. Nun hat der AStA durch die rot-grüne Hochschulgesetzesreform in NRW Rückendeckung erhalten und im Internet einen online-Anwesenheitsmelder installiert. Die Studierenden sind nun aufgerufen, illegale Anwesenheitslisten zu melden. Wenn die Studierenden kooperieren – und es sieht aktuell wohl so aus (siehe MZ-Artikel) – könnten die eingegangenen Meldungen gebündelt und an die Fachschaftsräte, die Prorektorin für studentische Angelegenheiten, an die Rektorin höchstselbst oder gar die Landesregierung weitergegeben werden.

Mit seinem Engagement richtet sich der AStA gegen die Universität als autoritäre fremdbestimmende Institution und setzte sich für mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Studierenden ein. Wäre er erfolgreich, würde dies nicht nur helfen, dem Gesetz der Landesregierung Wirkungsmacht zu verleihen; die Studierendenvertretung würde vor allem Studierenden mit Nebenjob, Studierenden mit Kind und Studierenden mit konsumfernen Lernhabitus von der Last der Anwesenheit in den Hörsälen und Seminarräumen befreien. Das der AStA gleichzeitg dazu übergegangen ist, Lehrende dazu anzuhalten Vorlesungen und Seminare per Video aufzuzeichnen und ins Internet zu stellen, passt da genau ins Konzept.

Gegenwind wird er dabei sicherlich nicht nur von konservativen, bürokratischen oder gar pädagogikfaulen Dozierenden bekommen, sondern auch auch aus den eigenen Reihen; nämlich von willensschwachen Studierenden, die Anwesenheitspflichten wollen, um sich selbst zu disziplinieren. Das sollte den AStA aber nicht daran hindern, diesen Weg konsequent weiter zu gehen. Ich kann nur sagen: weiter so und bin auf die Veröffentlichung der Liste der Anwesenheitspflichten gespannt.

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4 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Rostek,
    Ihr womöglich konservativer, bürokratischer oder gar pädagogikfauler Dozent meldet sich auf diesem Wege abermals zu Wort. Da Sie auf meine ausführliche Mail nicht reagiert haben, gehe ich davon aus, dass Sie an einer öffentlicheren Form der Debatte interessiert sind, um so ihren verfassungsgemäßen Beitrag zur „politischen Meinungsbildung“ zu leisten. Daher würde ich mich freuen, wenn wir die Angelegenheit auf Ihrem Blog diskutieren könnten und poste eine Kurzversion meiner Mail.

    Ich habe das akademische Lernen und Lehren bisher stets als Lust und nicht – wie Sie oben schreiben – als „Last“ erlebt. Es ist bedauerlich, dass Sie die Situation offenbar anders empfunden haben. Denn nur so kann ich mir erklären, weshalb Sie die persönliche Teilnahme an Lehrveranstaltungen als generelles Übel und als Ausdruck einer geistlosen Konsumhaltung qualifizieren. Ich würde die Gegenthese vertreten: Spätestens seit Sokrates zählt das strukturierte Gespräch von Lehrenden und Lernenden zu den zentralen Erkenntnisinstrumenten akademischer Wissensproduktion. Die Landesregierung hat dem durch Ausnahmeregelung für Seminare, die den „wissenschaftlichen Diskurs“ einüben, ausdrücklich Rechnung getragen.

    Ich selbst lerne viel aus diesen Dialogen und gehe davon aus, dass dies für meine Gesprächspartner ebenso gilt. Wollen wir – was stets ein zentrales Ziel der Grünen gewesen ist – zu einer weltoffenen, pluralen und multiperspektivisch denkenden Gesellschaft gelangen, so kann dies letztlich nur durch einen kritischen, offenen und persönlichen Dialog geschehen. Das hat nichts mit einer „autoritäten, fremdbestimmenden“ Grundhaltung zu tun, sondern sollte bei angehenden Akademikern eine Selbstverständlichkeit darstellen. Daher scheint mir der von Ihnen evozierte Gegensatz zwischen studentischer Willensschwäche und „konsumferne[m] Lernhabitus“ ebenso verfehlt: Kontinuierliche Anwesenheit ist eher ein Ausweis eines eigenverantwortlichen „amor scientiae“, während die Verweigerung des Dialogs oder der Ersatz durch Videoseminare mir weniger konsum- als bildungsfern erscheint.

    Zu meinem Selbstverständnis als Lehrender zählt auch, dass die universitäre Gesprächskultur nur auf der Grundlage von Vertrauen, Respekt und offener Kritikfähigkeit erfolgen kann. Der anonyme Anwesenheitsmelder des AStA bricht mit diesem Grundkonsens. Als Mediävist könnte ich an dieser Stelle mühelos zum Mittel des historischen Vergleichs derartiger Denunziations- und Proskriptionspraktiken greifen. Mir schiene es aber wichtiger, zu einer vertrauensvollen und partnerschaftlichen Arbeitsatmosphäre zurückzufinden. Es ist daher gut, dass wir in den letzten Wochen intensive Debatten mit unseren Studierenden und ihren gewählten Vertretern geführt und an vielen Punkten einen Konsens erzielt haben. Es würde mich freuen, wenn Sie – gerne über Ihren Blog – an diesen Diskussionen partizipieren und die unsinnige Frontstellung zwischen Lehrenden und Lernenden zu überwinden helfen.

    1. Lieber Herr Keupp,

      es liegt mir fern Sie als „konservativ, bürokratisch oder pädagogikfaul“ zu bezeichnen. Das wäre anmaßend. Dass Sie die öffentliche Debatte nicht scheuen, freut mich sehr. Auch wenn ich sehr wohl auch gewillt war, ihnen noch per elektronischen Brief zu antworten.

      Ebenso würde ich nie behaupten, dass an der Universität ausschließlich langweilige oder uninteressante Vorlesungen und Seminare stattfänden. Das würde meiner eigenen Erfahrung – genauso wie der Ihren – widersprechen.

      Gleichwohl gilt für mich, dass kein Studi durch Formalia und Strafandrohung zum Besuch einer Lehrveranstaltung gezwungen werden sollte. Es sei denn, es ist aus besonderen Gründen (Sicherheitseinweisung, etc.) dringend erforderlich. Da gehe ich mit der Uni Münster, die selbst schreibt: “Anwesenheit kann dagegen als erforderlich betrachtet werden in Veranstaltungen, in denen spezielle Techniken, Erkenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die im reinen Selbststudium nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen erlernt werden können. Dies kann zum Beispiel gegeben sein bei naturwissenschaftlichen Studiengängen im Labor, bei diversen Sportarten, bei aktiv ausgeübter Musik, bei der Arbeit mit Patienten, in der ökologischen Freilandarbeit, in den Geisteswissenschaften bei der Arbeit an Studienobjekten und der Erarbeitung von Kommunikationsverhalten, bei Exkursionen oder bei Praktika.“

      Auch ich bin für eine offene Gesprächskultur und den Dialog; da können Sie sicher sein. Sie müssen aber auch zugeben, dass…

      …es von Seiten eines Studi schon eines gewissen Mutes bedarf, sich gegen die Autorität eines Dozierenden zu stellen und Anwesenheitslisten öffentlich zu kritisieren.

      …eine Anwesenheitsliste (allein durch ihre Anwesenheit) auch eine disziplinierende Maßnahme ist, welche die Autorität eines Dozierenden übergebührlich stärkt und das Klima im Hörsaal nachhaltig beeinträchtigt.

      …eine Anwesenheitsliste Studierende, die kein Interesse am Stoff haben, sondern nur auf Credit-Points aus sind, dazu nötigt, ebenfalls an der Vorlesung teilzunehmen und so die interessierten Studierenden in einer Umgebung des Desinteresses versauern.

      …es den Studiernden grundsätzlich selbst frei sein sollte, ihren eigenen Weg des Studium und des Lernens zu wählen.

      Eine „Frontstellung“ zwischen Lehrenden und Lernenden möchte ich keinesfalls unterstützen. Was ich aber sehe ist zuviel Frontalunterricht in zu vollen Hörsälen.

      Lieben Gruß!

      1. Lieber Herr Rostek, ich freue mich sehr, dass wir auf diesem Wege in eine echte Debatte eintreten.
        Gerne gestehe ich zu, dass den einzelnen Studierenden – zumal in der ersten Semestern – das Äußern von Kritik mitunter schwer fällt. Gewöhnlich dienen für strittige Fälle die Dekanate oder niederschwelliger: die Fachschaften als vermittelnde Ansprechpartner. Diese Zusammenarbeit hat sich insofern bewährt, als sie in aller Regel konsensual erfolgt.

        Nicht verständlich ist mir, weshalb eine Anwesenheitsliste meine Position “übergebührlich” stärkt. Ich betrachte sie in allererster Linie als Instrument der Ablauforganisation, die letztlich in meiner Verantwortung liegt: Sie informiert mich z.B. darüber, was ich ggf. in welcher Intensität wiederholen muss, welche Seminarleistungen (Präsentation, Essays) ich zuverlässig erwarten kann und wo ich besser noch einmal nachfragen sollte. Ohne diesen Überblick sind Pannen im Seminarablauf, die letztlich zu Lasten der Gesamtheit gehen, geradezu vorprogrammiert. Leider…
        Leider deshalb, weil die Gruppe der Studierenden sich eben sehr heterogen zusammensetzt. Desinteresse ist dabei aber oft nur temporär und nicht inhaltlich bedingt. Oftmals sind es persönliche Krisen (vom Trauerfall in der Familie bis zum Liebeskummer) oder zeitweilige Überlastung, die zu geistigen oder physischen Absenz führen. Auch hier ist es für mich als Dozent sinnvoll, wenigstens einen kleinen Hinweis (z.B. durch schriftliche Entschuldigungen) zu erhalten. Wir können aus Gründen von Fairness und Gleichbehandlung nicht jedem entgegenkommen, aber Verständnis hilft beim Finden von Lösungen und trägt dazu bei, Studierende eben nicht nur als Nummern wahrzunehmen.

        Einer völligen Freiheit in Studienorganisation und Lernverhalten stehe ich skeptisch gegenüber, obwohl ich Ihr Ideal grundsätzlich teile. Ich denke aber, auf diesem Wege wird die Universität tendenziell anonymer und wir verlieren potentielle Talente. Qualität wäre unter diesen Bedingungen schließlich nur durch harte Prüfungen zu garantieren, während ich selbst kontinuierliche Mitarbeit höher als das sog. Bulimielernen schätze.

        Die Mehrheit der fortgeschrittenen Studierenden ist in den Seminaren ohnehin im vollen Bewusstsein der Eigenverantwortung präsent und zeigt damit zugleich Solidarität mit den KommilitonInnen, die eben nicht im leeren Raum diskutieren, referieren etc. sollen. Wie bei einem Fußballspiel, das ja auch an Regeln gebunden ist, zählt hier das Zusammenwirken der einzelnen Kräfte. Und selten beklagt sich ein Fußballer, dass er Abseits oder DIN-Normen für Bälle generell doof findet oder die Halbzeitpause eigenständig festlegen möchte.

  2. Die ASten der Ruhr-Universität Bochum, der Hochschule für Gesundheit und der AStA der Universität Münster haben gemeinsam einen offenen Brief an die Dekanate und Rektorate der Hochschulen in NRW verfasst. In entschlossenem Ton fordern sie, dass das Verbot der Anwesenheitspflicht für Studierende endlich umgesetzt wird. Hier der Link zum Brief: http://www.asta.ms/images//AStA/News/Offener_Brief_Anwesenheit.pdf

    Zitat: “Ignorieren, Totschweigen, Verschleppen und Aussitzen kann nicht die Devise sein! Sie befinden sich in der Verantwortung die Nicht-und Falschinformation an den Hochschulen sofort zu beenden, um endlich Sicherheit für Studierende und auch die Lehrpersonen zu schaffen. Wir fordern Sie auf, Studierende in ihrer Freiheit und Eigenverantwortung nicht gegen geltendes Recht zu beschneiden und die Diskriminierung von Studierenden mit Kindern oder chronischen Erkrankungen, die besonders unter dem Zwang zur Anwesenheit leiden, zu beenden.”

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