Am Tage nach der Wahl spekulieren die Zeitung Westfälische Nachrichten und die Münstersche Zeitung eifrig über mögliche Koalitionsvarianten. Die WN ruft die FDP dazu auf, mit einer Beteiligung an einer Ampelkoalition (Rot, Grün, Gelb) eine Regierungsbeteiligung der Linken zu verhindern; die MZ teilt mit, dass die CDU die SPD als Bündnispartner wünscht, um wie auf Bundesebene „Verantwortung zu übernehmen“. Die SPD habe sich, was die „große Koalition“ beträfe, dort anfänglich auch geziert, so die Argumentation der CDU-Parteispitze. Die sozialdemokratische Fraktion wiederum lehnt ein Bündnis mit den Linken kategorisch ab. Wer aber wird letztlich darüber entscheiden, wie eine Koalition im Stadtrat aussehen wird? Es sind die Parteimitglieder auf der Mitgliederversammlung. Sie haben das letzte Wort; zumindest ist das bei den Grünen so.
Da können die Fraktionsspitzen und Vorstände noch so eine wie auch immer aussehende Mehrheit zusammen verhandeln; letztlich entscheidet die sogenannte Basis. Und das ist auch gut so. Unter den Entscheidungen, die man als Parteimitglied innerhalb einer Partei treffen darf (Personal, Wahlprogramm, Satzungen, etc.) ist die Koalitionsfrage sicherlich eine der spannendsten Angelegenheiten und allein schon ein Grund für einen Parteibeitritt. Mit wem ist die politische Schnittmenge am größten? Wem kann man vertrauen schenken? Wie groß wären bei einer Koalition mit der Partei x oder der Partei y die inneren und äußeren Bauchschmerzen und Vertrauensverluste? Die Legislaturperiode dauert sechs Jahre; wer ist ein verlässlicher politischer Partner?
Konflikte sind bei der Koalitionsfrage vorprogrammiert. Sonst wären ja alle Mitglieder in ein und derselben Partei, würden sich an den Händchen halten und im Gleichschritt marschieren. Es ist Teil des demokratischen Verhandlungsprozesses, Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und sich zu einigen. Die Parteien haben im Wahlkampf den Bürgerinnen und Bürgern ein Angebot gemacht und müssen nun liefern. Dabei kommt es regelmäßig zu einem Missverständnis, das vor allem unter den Wahlberechtigten weit verbreitet ist: die Parteien haben sich im Wahlkampf selbst so dargestellt, als bekämen sie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das nennt man gemeinhin Profilbildung. Da aber eine Partei selten die absolute Mehrheit erringt, muss sie nun im Aushandlungsprozess politische Federn lassen, also einen Kompromiss eingehen. Und das tut weh. Manchmal sogar extrem weh.
Wie wird also die Basis der Grünen entscheiden? Heute auf der grünen Mitgliederversammlung im Grünen Zentrum werden diesbezüglich Akzente gesetzt. Das sollte man nicht verpassen.