Jugendratswahl nur noch online? – Ein Beitrag zur Debatte

Jugendrat MünsterDie Stadt Münster möchte die Wahl des Jugendrates auf ein rein online basiertes Wahlverfahren umstellen (Link zur Vorlage). D.h. es würde nicht mehr in den Schulen mit Zettel und Wahlurne abgestimmt, sondern nur noch mit TAN-Nummer und Internetanschluss. Nach Gesprächen mit Verwaltungsangestellten anderer Städte und dem Abwägen der genannten Argumente spreche ich mich gegen die Umstellung aus. Denn die Folgen wären möglicherweise nicht nur ein Einbruch der Wahlbeteiligung, sondern auch der Verlust des demokratisch-pädagogische Charakter der Wahl.

Ich habe mit Jugendratsmitarbeiter*innen der Städte Düsseldorf, Stuttgart, Arnsbach und Koblenz telefoniert. Für keine dieser Städte kommt gegenwärtig die Umstellung auf ein rein online-basiertes Verfahren in Frage. Dabei steht nicht der Schutz vor Wahlmanipulation im Vordergrund, sondern finanzielle und demokratietheoretische Gründe.

Finanziell: Die Schülerinnen und Schüler müssen auf die online-Wahl hingewiesen werden. Hierfür müssen Werbematierialien erstellt werden. Das kostet Geld. Noch mehr kostet die Verschickung der TAN-Nummern an die 14.700 Wahlberechtigten, die Wahlsoftware und die Betreuung der Software.

Demokratietheoretisch: Die Wahlen des Jugendrates sind in den Schulen gut aufgehoben, denn die Schulen sind ein Umfeld, in dem sich die Jugendlichen auskennen und regelmäßug aufhalten. Es gibt Lehrerinnen und Lehrer, die den Jugendlichen den Wahlprozess erklären und auf die Vorteile demokratischer Prozesse hinweisen können. Die Schulen sind ein Forum, das die unmittelbare Auseinandersetzung mit den Kandidat*innen gewährleistet. Klassenstufenartig können die Jugendlichen zur Wahl motiviert werden und abstimmen. Die Jugendlichen lernen eine grundlegende demokratische Handlung auf gruppendynamische Weise: sie machen ein Kreuz und werden den Zettel in die Wahlurne und bekommen dann gemeinsam das Ergebnis mitgeteilt. Würde dieser Prozess durch eine Online-Wahl ersetzt, wären zahlreiche mobilisierende und demokratie-pädagogische Momente nicht mehr gegeben. Die Jugendlichen würden auf eine Onlinewahl vorbereitet, die es in der bundesrepublikanischen Wahlpraxis gar nicht gibt.

Weitere Fallstricke

Aber selbst, wenn man diese Argumente nicht teilt, bietet eine Online-Wahl viele weitere ganz konkrete Fallstricke, die zuerst aus dem Weg geräumt werden müssen, um eine optimale Wahl zu gewährleisten. Das Beispiel Wuppertal zeigt eindrucksvoll, was bei Onlinewahlen alles schiefgehen kann. Als das Wahlverfahren noch über die Schulen lief, gab es eine Wahlbeteiligung von 22,4 Prozent. Nach der Umstellung auf ein Onlinewahlverfahren lag die Beteiligung bei nur noch 3,6 Prozent! (siehe Artikel) Die Wahlunterlagen in Wuppertal wurden drei Wochen vor der Wahl verschickt. Das führte dazu, dass beispielsweise Jugendliche den TAN-Code bis zum Wahltag verloren hatten. Oder Eltern in dem Glauben, es handle sich um kommerzielle Werbung, den Brief einfach weggeworfen haben. Ebenso ist der Wahlprozess an sich höchst fehleranfällig. Die Jugendlichen geben den TAN-Code ein, sehen dann die Wahlliste, wollen dann ein Foto der/des Kandidat/in sehen, verlassen das Eingabefenster, weil sie die Person googeln und kommen dann aber nicht mehr in das Wahlfenster, weil der TAN-Code nach der Eingabe seine Gültigkeit verloren hat.

FAZIT: Das Risiko der Umstellung ist zu groß. 50 Prozent Wahlbeteiligung bei der Jugendratswahl in Münster ist im bundesweiten Vergleich außerordentlich gut. Finanzielle Argumente sollten kein ausschlaggebender Faktor für eine Umstellung sein. Man kann ein Onlinewahlverfahren einführen, aber bitte nicht ersetzend, sondern ergänzend. Die Stadt Münster sollte, wenn sie Geld und Personal einsparen möchte andere Wege gehen und beispielsweise enger mit den Jugendlichen zusammenarbeiten und diese bei der Organisation, beispielsweise als Wahlhelfer*innen, mit einbinden.

Selbstverständlich lasse ich mich gerne eines Besseren belehren und stehe deshalb mit dem Jugendamt im Dialog. Es hat mich gebeten meine Befürchtungen zu äußern und ihnen einen Fragenkatalog zuzuschicken. Beides habe ich getan. Die Fragen lauten:

  1. Bisher findet die Wahl des Jugendrates in den Schulen statt. Die Wahlbeteiligung liegt bei erfreulichen 50 Prozent. Was macht aus ihrer Sicht die Umstellung auf ein rein online-basiertes Verfahren notwendig?
  2. Haben Sie sich mit anderen Jugendratsstellen oder Jugendämtern kurzgeschlossen, um Erfahrungsberichte einzuholen und einen optimalen Ablauf der geplanten Online-Wahl zu gewährleisten?
  3. Wie wird die Online-Wahl des Jugendrates genau ablaufen?
  4. Wie werden Sie eine hohe Online- Wahlbeteiligung sicherstellen? Wie die Online-Wahlen bewerben?
  5. Wie hoch werden die Kosten dieser Bewerbung sein? Wie hoch die Portokosten falls Sie die TAN-Nummern für die Online-Wahl an die 14.700 Wahlberechtigten verschicken müssen?
  6. Wie wird die Online-Wahl betreut? Wie wird die Behebung möglicher technischer Schwierigkeiten sichergestellt?

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